Öffentliche Debatte: Titandioxid

Bereits seit zwei Jahren liegt der europäischen Kommission in Brüssel ein Antrag zur Einstufung des Weißpigments Titandioxid als Gefahrenstoff vor. Eine verbindliche Entscheidung blieb bislang noch aus.

Einstufung von Titandioxid als Gefahrenstoff durch inhalative Aufnahme

Die europäische Lack- und Farbenindustrie als größten Abnehmer von Titandioxid beschäftigt nun schon seit zwei Jahren die Frage, ob Titandioxid von der europäischen Kommission in Brüssel als Gefahrenstoff eingestuft wird oder nicht. Würde eine Einstufung erfolgen, hätte dies sowohl für die Produktion als auch für die Abfallentsorgung kostenträchtige Konsequenzen.

Was ist eigentlich Titandioxid und wofür wird es verwendet?

Titandioxid ist das hellste bekannte und weißeste Pigment, das in einer Vielzahl von unterschiedlichsten Produkten zu finden ist. Neben seiner hochdeckenden ultraweißen Farbe hat Titandioxid ein herausragend hohes Licht-Streuvermögen und ist UV beständig.

Das Weißpigment ist unter der Bezeichnung E 171 in vielen Lebensmittelprodukten enthalten und dient dort der Farb- und Konsistenzoptimierung. Unter der Bezeichnung CI 77891 wird Titandioxid zudem bei Kosmetik- und Hautpflegeprodukten, insbesondere aufgrund seiner UV-absorbierenden Eigenschaft bei Sonnenschutzmitteln eingesetzt. Überwiegend wird Titandioxid jedoch für die Herstellung von Lacken und Farben verwendet.

Empfehlung zur Einstufung als Krebsverdachtsstoff

Im Juni 2017 empfahl der Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienbehörde Titandioxid als Stoff „mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung beim Menschen“ durch Inhalation einzustufen. Die von der inhalativen Aufnahme abzugrenzende orale (durch den Verzehr) und dermale (über die Haut) Aufnahme von Titandioxid stehen in der Einstufung hingegen nicht zur Debatte. Hintergrund der Empfehlung war die Befürchtung, dass Arbeiter an Lungenkrebs erkranken könnten, wenn sie bei der industriellen Herstellung und Verwendung Staubemissionen von Titandioxid ausgesetzt sind. Die gesundheitsschädigende Wirkung führt der Ausschuss auf vorangegangene Forschungsergebnisse zurück.

Studie aus dem Jahr 1985

Eine Studie aus dem Jahr 1985 belegt, dass Ratten, die über einen längeren Zeitraum hinweg staubförmigem Titandioxid ausgesetzt waren, vermehrt an Lungentumoren und Entzündungen erkrankten.

Stellungnahme des Verbands der Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL)

Neben dem VdL sind auch weitere Experten der Überzeugung, dass die Studienergebnisse nicht spezifisch für Titandioxid, sondern staubspezifisch seien. Bereits in der Vergangenheit, zuletzt 2014 zur Begründung des nationalen Staubgrenzwerts, ist die Studie herangezogen worden, um die gesundheitsschädigende Wirkung von Staub, unabhängig vom emittierten Stoff zu begründen. Zudem gebe der Test an Tieren noch keinen Rückschluss auf die gesundheitlichen Auswirkungen am Menschen. Studien, die belegen, dass die inhalative Aufnahme von Titandioxid durch den Menschen das Krebsrisiko steigert, existieren bislang nicht.

Der VdL setzt sich derzeit dafür ein, dass die europäische Kommission auf eine Einstufung des Titandioxids verzichtet und stattdessen eine europaweite Angleichung der Staubwertgrenzwerte am Arbeitsplatz veranlasst.

Entscheidung der europäischen Kommission

Ob Titandioxid tatsächlich als krebserzeugender Stoff eingestuft wird, hängt letztlich von der Entscheidung der europäischen Kommission ab. Eine Einstufung oder dessen Ablehnung würde eine qualifizierte Mehrheit voraussetzen, die bisher noch nicht erzielt werden konnte. Wann eine Entscheidung zu erwarten ist, lässt sich noch nicht absehen. Fest steht jedoch, dass der Streitpunkt nach den Europawahlen von einer neuen Kommission auf die Tagesordnung gesetzt werden kann. Es wird damit gerechnet, dass über die Streitfrage in einem geänderten Verfahren entschieden wird, in welchem die europäische Kommission selbst, unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen, entscheiden kann.

Konsequenzen der möglichen Einstufung

  • Warnhinweise
    Produkte, die Titandioxid enthalten, müssten mit einem Warnhinweis versehen werden, obwohl nur die wenigsten, nur sprühfähige Produkte eine Gesundheitsgefahr durch inhalative Aufnahme darstellen können. Zum Beispiel in Farben ist Titandioxid fest in die Bindemittel-Matrix eingebunden und kann folglich gar nicht eingeatmet werden.

  • Entsorgung als Sonderabfall
    Ab einem Gehalt von 1 % Titandioxid müssten Abfälle als Sonderabfall entsorgt werden. Diese Gehaltsgrenze erreicht bereits eine Joghurtverpackung, welche zukünftig dann in einer genehmigungspflichtigen Beseitigungsanlage entsorgt werden müsste.

  • Unerreichbarkeit des Kunststoffrecyclings
    Die Wiederverwendung der titandioxidhaltigen Produkte würde restriktiveren Anforderungen unterstellt werden, sodass das Ziel des Kunststoffrecyclings unerreichbar werden würde.

  • Substitutionspflicht
    Titandioxid ist durch nicht eingestufte Stoffe zu ersetzen. Eine gleichwertige Alternative, insbesondere einen Stoff mit einer geringeren Gesundheitsgefährdung, gibt es bislang noch nicht.

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