Ausgerechnet im kältesten Wintermonat Januar stehen energieintensive Handwerksbetriebe ohne staatliche Hilfe da, kritisiert ZDH-Präsident Wollseifer beim "RND".
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"Die Entlastungspakete werden das Allerschlimmste verhindern. Was mir Sorge bereitet, ist der Januar. Ausgerechnet im kältesten Wintermonat stehen energieintensive Handwerksbetriebe wie Bäcker, Textil-Reiniger oder Metallbauer anders als die Großindustrie ohne staatliche Hilfe da. Hier muss die Bundesregierung nachbessern und mindestens eine großzügige Härtefallregelung vorlegen", so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer gegenüber Andreas Niesmann vom "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Es lindert die Not. Die Übernahme des Dezember-Abschlags beim Gas wird vielen unserer betroffenen Betrieben helfen. Und die Gaspreisbremse ab März, vielleicht sogar ab Februar, mit Sicherheit auch. Was mir Sorge bereitet, ist der Januar. Ausgerechnet im kältesten Wintermonat stehen energieintensive Handwerksbetriebe wie Bäcker, Textil-Reiniger oder Metallbauer anders als die Großindustrie ohne staatliche Hilfe da. Hier muss die Bundesregierung nachbessern und mindestens eine großzügige Härtefallregelung vorlegen.
Es gibt solche Fälle. Und auch da muss der Staat helfen. Wenn ein Betrieb in der aktuellen Lage von Gas auf Öl umstellt und damit allen anderen hilft, darf er nicht auch noch bestraft werden. Auch für Betriebe mit Pelletheizungen, die man ja eingebaut hat, um Ressourcen zu sparen, sollte die angekündigte Härtefallregel greifen. Sie muss jetzt schnell ausgearbeitet werden.
Von "gut" sind wir weit entfernt. Die Entlastungspakete werden das Allerschlimmste verhindern. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Die Programme zur Milderung der Strom- und Gas-Kosten werden energieintensive Betriebe knapp über die Zeit bringen. Ohne diese Entlastung würden zahlreiche Betriebe dieser energieintensiven Branchen nicht überleben.
Die Stimmung trübt sich überall ein. Auf dem Bau haben die Betriebe derzeit noch ganz gut zu tun, die arbeiten ihre Auftragsbücher ab. Aber bei der Akquise neuer Aufträge merken wir die Zurückhaltung. Es macht mir große Sorge, dass ausgerechnet der Bau- und Ausbaubereich, der bislang ein Stabilitätsanker des Handwerks und der Wirtschaft insgesamt war, extrem negativ auf das neue Jahr blicken. Die Zukunftserwartungen sind hier aktuell deutlich schlechter als in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009.
Ja. Für ein paar Monate wird der Auftragsbestand am Bau und im Ausbau noch reichen. Vielleicht bis März oder April. Aber dann fängt es an, wirklich flau zu werden. Eine solche Situation hatten wir in den letzten 15 Jahren nicht.
Das erwarte ich nicht. Der Fachkräftemangel ist so groß, dass selbst eine anderthalb-jährige Krise kaum zu Entlassungen im großen Umfang führen wird. Die Unternehmen werden ihr Personal um jeden Preis behalten – schon allein, um durchstarten zu können, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Massenentlassung im Handwerk hat es übrigens auch in zurückliegenden Krisen nie gegeben.
Wir gehen derzeit davon aus, dass die Krise bis zum Sommer 2024 anhalten wird, und es danach wieder aufwärts geht, wenn sich an der geopolitischen Lage nichts Wesentliches ändert.
Was uns große Sorgen bereitet, sind die immer stärker steigenden Lohnzusatzkosten. Der Krankassenbeitrag steigt um 0,3 Prozent, der zur Arbeitslosenversicherung um 0,2 Prozent, und wahrscheinlich müssen auch die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozent erhöht werden. Das klingt alles nach wenig, es ist aber in der Summe ein Riesensprung und eine massive Belastung für das personal- und damit auch lohnintensive Handwerk und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
In den vergangenen Jahren haben wir immer darauf gepocht, dass die Lohnzusatzkosten nicht über 40 Prozent als absoluter Schmerzgrenze für unsere Betriebe und ihre Beschäftigten steigen dürfen. Jetzt machen wir einen Riesensprung über diese Hürde. Deutschland ist jetzt schon Vizeweltmeister bei den Belastungen und Lohn-Abzügen. Die 40 Prozent-Grenze bei den Lohnzusatzkosten muss eingehalten werden. Unsere sozialen Sicherungssysteme sind derzeit weder zukunftsfest noch generationengerecht aufgestellt. Hier muss die Bundesregierung dringend strukturelle Reformen anstoßen.
Niemand bestreitet, dass das Gesundheitssystem ordentlich ausgestattet und die Mitarbeiter ordentlich bezahlt werden müssen. Geld sparen ließe sich aber zum Beispiel bei den Krankenhäusern. Alle Experten fordern seit Jahren eine Reform, doch die kommt nicht voran. Warum nicht? Dann gibt es Steuern, die versickern im allgemeinen Haushalt, dabei müssten sie eigentlich dem Gesundheitssystem zugutekommen. Tabaksteuer, Alkoholsteuer, Glücksspielsteuer. Suchterkrankungen verursachen bei den Krankenkassen Milliardenkosten, die entsprechenden Steuern aber bleiben beim Staat.
Es war eine turbulente und krisenreiche Zeit. Dennoch glaube ich, dass wir eine Menge erreicht haben. Wir haben nicht nur den Versuch der Europäischen Kommission abgewehrt, uns den Meisterbrief streitig zu machen, wir haben auch durchgesetzt, 12 deregulierte Berufe wieder zu Meisterberufen zu machen. Das war ein großer Erfolg und hat mich stolz gemacht. Schwierig bleibt dagegen das Thema Ausbildung. Wie begeistern wir junge Menschen für das Handwerk? An der Fragestellung habe ich viel gearbeitet, wir haben auch hier gute Erfolge erzielt - beispielsweise mit dem von uns konzipierten und inzwischen in neun Bundesländern eingeführten Bildungsangebot des BerufsAbiturs. Aber wie wir mehr junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk gewinnen können, das wird auch meinen Nachfolger oder meine Nachfolgerin noch beschäftigen. Das Thema bleibt ein Dauerbrenner.
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